Werder Bremen: "Gute Saison" - aber für Europa reicht's nicht

Stand: 19.05.2024 10:51 Uhr

Werder Bremen hat das Ziel Nichtabstieg sicher erfüllt. Ganz zufrieden ist Trainer Ole Werner nach einer Bundesliga-Saison mit Licht und Schatten aber nicht. Was lief schief, was soll sich ändern? Eine Analyse mit Ausblick.

von Andreas Bellinger

Am Ende fehlten zwei Tore und Werder Bremen hätte aus einer "guten Saison eine sehr gute gemacht". Trainer Ole Werner durfte nach dem überzeugenden 4:1-Sieg gegen den VfL Bochum am letzten Spieltag zufrieden sein, obwohl die Grün-Weißen Aufsteiger Heidenheim nicht von Platz acht verdrängt und somit die Chance auf die Qualifikation zur Conference League verpasst haben. "Wir wären gerne noch einen Platz mehr geklettert", ärgerte sich der 36 Jahre alte Coach und fügte selbstkritisch hinzu: "Dafür hätten wir mehr Konstanz gebraucht oder uns eher finden müssen."

Union Berlin als warnendes Beispiel

Aber warum traurig sein? Werder hat die zweite Saison nach dem Aufstieg - die bekanntlich als die schwierigere gilt - als Tabellenneunter mit Bravour überstanden. Sicher hätte die Be- und Entlohnung im internationalen Wettbewerb allen gutgetan, aber dabei sollten die Gefahren nicht unterschätzt werden.

Union Berlin könnte ein warnendes Beispiel sein, dass eine in vielerlei Hinsicht mögliche Überforderung dazu führen kann, in der Bundesliga durchgereicht zu werden. Die "Eisernen" haben die Relegation erst am letzten Spieltag durch ein 2:1 gegen den SC Freiburg verhindert.

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Fehlstart mit frühem Pokal-Aus

Werder hat sich nach einer sportlichen Achterbahnfahrt einigermaßen souverän, vor allem aber vorzeitig in Sicherheit gebracht. In einer Hinserie - gespickt mit Licht und Schatten - sah es mitunter nicht danach aus; die Anhänger wurden zwischen Lust und Frust hin- und hergejagt. Noch ehe die Bundesliga begonnen hatte, setzte es gleich den ersten Dämpfer mit dem 2:3 bei Drittligist Viktoria Köln.

Ein peinliches Aus in der ersten Pokalrunde, wie im Jahr zuvor. Zwei weitere Pleiten folgten in der Bundesliga daheim gegen Bayern München (0:4) und beim SC Freiburg (0:1).

Neue Spieler fremdeln

Der Fehlstart war perfekt - da half es auch nicht, dass Werner auf die erst spät komplettierte Mannschaft verwies. Ohne Nationalstürmer Niclas Füllkrug, dessen Wechsel zu Borussia Dortmund zwar die leeren Kassen füllte, sportlich aber ein Loch hinterließ, fehlte dem Team die Reiz- und Identifikationsfigur auf und neben dem Platz. Überdies mussten sich Neuzugänge wie die Belgier Senne Lynen oder Olivier Deman in neuer Umgebung erst zurechtfinden, was wie schon bei Jens Stage länger dauerte als erhofft.

Leidlich gutes Zwischenzeugnis

Eine durchweg positive Überraschung hingegen war Justin Njinmah, der nicht nur mit Schnelligkeit überzeugte, sondern Stück für Stück zur festen Größe neben Marvin Ducksch wurde. Von Zuversicht oder gar Zufriedenheit war die Stimmung bei Werder zur Halbzeit der Saison aber nicht geprägt.

Die Protagonisten strahlten zwar Ruhe und die feste Überzeugung aus, als Team das Ziel Klassenverbleib zu schaffen, aber erst das späte 1:1 beim VfL Bochum am 17. Spieltag schloss die Hinrunde als 13. mit einem leidlich guten Zwischenergebnis ab. "Wir haben ein paar Punkte gegen die direkten Konkurrenten liegen lassen", sagte Leonardo Bittencourt.

Traumstart beim Rekordmeister

Dass Werder ausgerechnet beim Rekordmeister in München einen Traumstart in die Rückserie hinlegen würde, konnte und wollte angesichts der ellenlangen Pleitenserie gegen die Bayern niemand erwarten. Mitchell Weiser war der Torschütze zum 1:0-Erfolg, der eine 15-jährige Misserfolgsphase beendete - und bei seiner clever spielenden Mannschaft die Überzeugung wachsen ließ, auf dem richtigen Weg zu sein. Weiser unterstrich, wie wichtig er für das Werder-System ist. Kurz vor dem Saisonfinale verlängerte der 30-Jährige seinen Vertrag.

"Eine sehr wichtige Personalie für uns", freut sich Clemens Fritz, der am 1. Juli dem dann endgültig scheidenden Sport-Geschäftsführer Frank Baumann nachfolgt. Seinen Posten als Fußball-Chef übernimmt der frühere Werder-Profi Peter Niemeyer, der als Manager gerade mit Preußen Münster in die Zweite Liga aufgestiegen ist.

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Böse Ahnungen nach Schlappe gegen Bayer

"Bei uns war im Sommer viel los", erklärte Werner. "Umso bemerkenswerter ist es, wie sehr sich die Mannschaft in ihrer Leistung stabilisiert hat." Doch der Weg sollte auch in der Rückserie kein leichter sein; zumal Verletzungen und Sperren immer wieder verhinderten, dass die Mannschaft spielerisch zu einer starken Einheit werden konnte. Die Überraschung von München erwies sich vor diesem Hintergrund als nicht besonders nachhaltig.

Positive wie negative Serien wechselten sich ab. Konstanz? Fehlanzeige. Wie im Saison-Finish 2021, das Werder komplett in den Sand setzte und schließlich den Gang in die Zweite Liga antreten musste. Als Werder nun am 29. Spieltag (14. April 2024) mit einer 0:5-Packung vom Spiel bei Bayer Leverkusen zurückkam, die Bilanz nur zwei Punkte aus sieben Bundesliga-Partien auswies, kehrten diese schlimmen Erinnerungen zurück. Aber Unruhe oder gar Panik wurden weder im Verein noch im Umfeld spürbar.

Friedl: "Kapitän sein ist ein Lernprozess"

"Entscheidend war, dass wir insbesondere in den Momenten, wo wir mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, ruhig weitergearbeitet haben“, so Werner. Bremen begann sogar von Europa zu träumen. "Was", so Bittencourt, "uns keine Sau zugetraut hätte." Ein Garant dafür war sicherlich Marco Friedl, der sich nach längerer Verletzung als Kapitän zunehmend wohlfühlte - und als Abwehrchef Turm in so mancher Schlacht war.

"Kapitän zu sein, ist ein Lernprozess", so der junge Familienvater im NDR Sportclub. Spekulationen, er wolle den Verein verlassen, begegnete er kürzlich mit einem klaren Bekenntnis zu Werder.

Einige Abgänge - Bleibt Ducksch?

Dass es diesmal nicht geklappt hat mit dem Europacup, soll die positive Entwicklung nicht beeinträchtigen. Nick Woltemade, Christian Groß, Keeper Jiri Pavlenka oder Eren Dinkci, der sich nach erfolgreicher Leih-Station in Heidenheim gegen eine Rückkehr in seine Heimatstadt entschieden hat und nach Freiburg wechselt, verlassen den Verein.

Fraglich ist die Zukunft von Marvin Ducksch, der für eine festgeschriebene Ablöse von angeblich 7,5 Millionen Euro gehen könnte.

Investoren-Deal schafft Spielraum

Sportlich wäre es ein Verlust, obwohl der beste Werder-Torschütze nach seinem Nationalmannschafts-Debüt in ein ziemliches Leistungs- und offenbar auch Motivationsloch gefallen ist. Finanziell könnten die chronisch klammen Hanseaten die Ablöse gut gebrauchen, obschon der nach langer Planung eingetütete Investoren-Deal für mehr "wirtschaftliche Handlungsfähigkeit" (Werder-Boss Klaus Filbry) gesorgt hat.

Für 38 Millionen Euro hat der Stammverein als alleiniger Gesellschafter der für den Profisport ausgegliederten Kapitalgesellschaft (KG) 18 Prozent seiner Anteile an ein regionales Bündnis verkauft.

Nachwuchs ist die Zukunft

Investiert werden soll das Geld dabei nicht in die Schuldentilgung, sondern vor allem ins Kerngeschäft Fußball, das Nachwuchsleistungszentrum beispielsweise und in die Mannschaft. Werder plant junge, talentierte Spieler zu halten oder zu verpflichten. Wie Top-Talent Joel Imasuen (19), der seinen Vertrag in Bremen gerade verlängert hat. Oder Karim Coulibaly (16) und David Igboanugo (19) vom Hamburger SV. Der Plan: entwickeln und (teuer) transferieren. Vielleicht klappt es auf diesem Weg sogar mit Europa.

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 19.05.2024 | 22:45 Uhr

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